Carl Ludwig Blume

Der deutsche Botaniker, der Gynostemma pentaphyllum der Wissenschaft erschloss (1796-1862)

Carl Ludwig Blume (1796-1862) — Deutscher Botaniker, Entdecker von Gynostemma pentaphyllum, Direktor Rijksherbarium Leiden

Carl Ludwig Blume (1796-1862) — Deutscher Botaniker und Direktor des Rijksherbarium Leiden, Erstbeschreiber der Gattung Gynostemma (1825)

Gynostemma pedata — Carl Ludwig Blume botanische Erstbeschreibung 1825, Flora van Nederlandsch Indië

Gynostemma pedata — Originalzeichnung aus Carl Ludwig Blume's "Bijdragen tot de flora van Nederlandsch Indië" (1825)

Pionier der niederländisch-ostindischen Flora

Carl Ludwig Blume (auch: Karl Ludwig von Blume) war ein deutscher Botaniker, der als einer der bedeutendsten Erforscher der indonesischen Pflanzenwelt gilt. Seine Hauptleistung bestand in der systematischen Katalogisierung der Flora von Java, Sumatra und Borneo während seiner Zeit als Direktor des Botanischen Gartens in Buitenzorg (heute Bogor).

1825 beschrieb Blume erstmals die Gattung Gynostemma (zu der Jiaogulan gehört) in seinem Werk „Bijdragen tot de flora van Nederlandsch Indië" (Beiträge zur Flora Niederländisch-Indiens). Damit legte er den Grundstein für die botanische Klassifikation dieser Pflanzenfamilie, auch wenn die medizinischen Anwendungen erst im 20. Jahrhundert in China wiederentdeckt wurden.

Blumes Lebenswerk umfasst über 2.000 neue Pflanzenbeschreibungen , darunter wichtige Arbeiten zu Orchideen, Rubiaceae (Kaffeegewächse) und Cucurbitaceae (Kürbisgewächse, zu denen Gynostemma gehört). Seine Herbarbelege bilden bis heute die Grundlage vieler botanischer Referenzen.

Lebensstationen

1796

🏠 Geburt in Braunschweig

Geboren am 9. Juni 1796 in Braunschweig als Sohn eines Apothekers. Frühe Prägung durch die pharmazeutisch-botanische Praxis des Vaters — Interesse an Heilpflanzen.

1815-1818

🎓 Medizinstudium in Leiden

Studium der Medizin an der Universität Leiden (Niederlande). Promotion 1818 mit einer Arbeit über Rumex (Ampfer-Gattung). Entscheidung, sich der Botanik statt der medizinischen Praxis zu widmen.

1818-1826

🌴 Java-Expeditionen (Goldene Jahre)

1818: Anstellung als Arzt und Naturforscher bei der Niederländisch-Ostindischen Kompanie. Reise nach Java (damals Teil von Niederländisch-Indien).

1822: Ernennung zum Direktor des 's Lands Plantentuin te Buitenzorg (Botanischer Garten Bogor, Nachfolger von Caspar Georg Carl Reinwardt). Systematische Erforschung der javanischen Flora, Anlage umfangreicher Sammlungen.

1823-1825: Expeditionen nach Sumatra, Borneo, Celebes. Sammlung von über 200.000 getrockneten Pflanzen (Herbarbelege), zahlreichen lebenden Exemplaren und Saatgut.

1825: Erstbeschreibung von Gynostemma in „Bijdragen tot de flora van Nederlandsch Indië" (Band 15). Blume erkannte die Gattung als eigenständig innerhalb der Cucurbitaceae und beschrieb drei Arten: G. pentaphyllum, G. simplicifolium, G. laxum .

1826: Rückkehr nach Europa aufgrund gesundheitlicher Probleme (tropische Krankheiten, Malaria).

1829-1862

🔬 Direktor Rijksherbarium Leiden

1829: Ernennung zum Direktor des Rijksherbarium in Leiden, das er bis zu seinem Tod leitete. Aufbau einer der wichtigsten botanischen Sammlungen Europas.

1830-1851: Veröffentlichung seines Hauptwerks „Flora Javae" (3 Bände, zusammen mit Joseph Gerardus Conrad Fischer). Monumental illustriertes Werk mit über 2.000 Kupfertafeln — bis heute Referenz für indonesische Botanik.

1856: Veröffentlichung von „Museum Botanicum Lugduno-Batavum" (4 Bände, 1849-1856), einem Katalog der Leidener Herbarbestände.

1850er: Intensive Arbeit an Orchideenmonographien und Rubiaceae-Systematik. Korrespondenz mit führenden Botanikern seiner Zeit (William Jackson Hooker, Asa Gray).

1862

⚰️ Tod in Leiden

Carl Ludwig Blume starb am 3. Februar 1862 in Leiden im Alter von 65 Jahren. Seine Sammlungen und Schriften bildeten die Grundlage für die moderne südostasiatische Botanik.

Hauptwerke & Beiträge zur Botanik

Blumes wissenschaftliches Erbe umfasst mehrere monumentale Publikationen, die bis heute als Standardreferenzen gelten.

Flora van Nederlandsch Indië — Carl Ludwig Blume 1825, Gynostemma Erstbeschreibung, Titelseite

📚 Bijdragen tot de flora van Nederlandsch Indië (1825-1826)

„Beiträge zur Flora Niederländisch-Indiens"

Inhalt: 17 Hefte mit systematischen Beschreibungen von über 1.000 Pflanzenarten aus Java, Sumatra und Borneo

Bedeutung: Erste umfassende Flora Indonesiens. Erstbeschreibung von Gynostemma in Heft 15 (1825)

Methodik: Lateinische Diagnosen nach Linné'schem System, detaillierte Standortangaben, Etymologie der Namen

Zitat (übersetzt):Gynostemma — eine neue Gattung der Cucurbitaceae, charakterisiert durch fünfblättrige Blätter, diözische Blüten und dreifächerige Frucht. Verbreitet in feuchten Bergwäldern Javas."

Gynostemma simplicfolium — Carl Ludwig Blume 1825 botanische Tafel, Originalzeichnung

🌿 Flora Javae (1828-1851)

Mit Joseph Gerardus Conrad Fischer

Umfang: 3 Bände, über 2.000 Kupferstichtafeln (koloriert), lateinische + französische Texte

Inhalt: Vollständige Beschreibung der javanischen Flora, gegliedert nach natürlichen Familien (damals revolutionär — Abkehr von Linné's künstlichem System)

Künstlerische Leistung: Jede Tafel zeigt Habitus, Blüten, Früchte, anatomische Details. Gilt als eines der schönsten botanischen Werke des 19. Jahrhunderts

Kosten: Das Werk kostete 8.000 Gulden (ca. 100.000 € heute) — nur von Bibliotheken und reichen Sammlern erschwinglich

🏛️ Museum Botanicum Lugduno-Batavum (1849-1856)

Katalog des Leidener Herbariums

Umfang: 4 Bände, Beschreibung von über 3.000 Arten

Funktion: Systematischer Katalog aller in Leiden vorhandenen Typenbelege (Originalexemplare, anhand derer Arten erstmals beschrieben wurden)

Relevanz: Bis heute nutzen Taxonomen diese Kataloge, um Typen aufzufinden und Namenspriorität zu klären

🌸 Orchideenmonographien (1850er)

Spezialisierung auf asiatische Orchideen

Hauptwerk: „Collection des Orchidées les plus remarquables de l'Archipel Indien et du Japon" (1858)

Innovationen: Blume führte die Untersuchung der Pollinien (Pollenpakete) als taxonomisches Merkmal ein — Grundlage moderner Orchideensystematik

Neubeschreibungen: Über 500 neue Orchideenarten, darunter viele Dendrobium-, Bulbophyllum- und Phalaenopsis -Arten

Die Entdeckung von Gynostemma pentaphyllum

Blumes Erstbeschreibung 1825 legte den wissenschaftlichen Grundstein für die Pflanze, die in China als „Unsterblichkeitskraut" verehrt wird.

🔍 Historischer Kontext

Als Blume 1825 Gynostemma beschrieb, war die botanische Taxonomie in Umbruch:

  • Linné'sches System: Klassifikation nach Staubblatt-/Stempel-Zahl (künstlich)
  • Natürliches System (Jussieu, de Candolle): Gruppierung nach morphologischen Ähnlichkeiten (moderne Grundlage)

Blume ordnete Gynostemma korrekt den Cucurbitaceae zu, erkannte aber nicht, dass die Pflanze in China bereits seit Jahrhunderten als Jiaogulan (绞股蓝) medizinisch genutzt wurde. Erst 1976 entdeckte der japanische Forscher Takemoto die Gypenoside und verband Blumes botanische Spezies mit der chinesischen Tradition.

📜 Originaldiagnose (übersetzt aus dem Lateinischen)

Gynostemma Blume (von griech. gyne = Weib, stemma = Kranz)

Charakterisierung:

  • Flores dioici: Zweihäusig (männliche und weibliche Blüten auf verschiedenen Pflanzen)
  • Calyx 5-partitus: Kelch fünfteilig
  • Corolla 5-petala: Fünf freie Kronblätter
  • Stamina 5, libera: Fünf freie Staubblätter (bei männlichen Blüten)
  • Ovarium inferum, 3-loculare: Unterständiger Fruchtknoten, dreifächerig
  • Fructus bacca tricocca: Beerenartige Frucht mit drei Samen

Typusbeleg: Blume s.n., Java, Buitenzorg (heute: Bogor Botanical Gardens), 1823, Rijksherbarium Leiden (L-Barcode: L.2553045)

🏷️ Namensgebung — Warum „Gynostemma"?

Blume wählte den Namen Gynostemma aufgrund der charakteristischen Anordnung der Stempel (weibliche Blütenorgane):

  • Gyne (γυνή) = Frau, Weib (griechisch)
  • Stemma (στέμμα) = Kranz, Girlande (griechisch)

Der Name bezieht sich auf die kranzförmig angeordneten Narben am Griffel der weiblichen Blüten. Dies unterschied die Gattung von anderen Cucurbitaceae wie Momordica oder Trichosanthes.

Der Artname pentaphyllum (lat. penta = fünf, phyllum = Blatt) beschreibt die typischen fünffingerigen Blätter (eigentlich fünfzählig gefiedert).

Wissenschaftliches Erbe & Ehrungen

🏅 Nach Blume benannte Taxa

Über 150 Pflanzenarten tragen heute Blumes Namen als Autorenkürzel:

  • Blume als Kürzel (Standard-Abkürzung in botanischer Nomenklatur)
  • Nepenthes blumei — Kannenpflanze (Borneo)
  • Begonia blumei — Schiefblatt (Java)
  • Rafflesia blumei — Riesenblume (Philippinen)

🗂️ Herbarsammlungen

Umfang: Ca. 300.000 Belege in Leiden (L), weitere 50.000 in Bogor (BO)

Bedeutung: Typenbelege für über 2.000 Arten — unverzichtbar für taxonomische Forschung

Digitalisierung: Seit 2010 werden Blumes Belege digitalisiert und über NaturalHistory Museum Leiden online zugänglich gemacht

📖 Einfluss auf die Systematik

Blume war Pionier des natürlichen Systems (Klassifikation nach Verwandtschaft statt künstlicher Merkmale):

  • Verwendung mikroskopischer Merkmale (Pollinien bei Orchideen)
  • Berücksichtigung anatomischer Strukturen (Gefäßbündel, Haartypen)
  • Kombination von Herbarmaterial + lebenden Kulturen

Diese Methoden sind bis heute Standard in der Taxonomie.

🎨 Botanische Illustration

Flora Javae gilt als Meisterwerk der botanischen Kunst:

  • 2.238 handkolorierte Kupferstiche
  • Zusammenarbeit mit Künstlern wie Pieter de Pannemaeker
  • Kombiniert wissenschaftliche Genauigkeit mit ästhetischer Qualität

Vorbild für spätere Florenwerke (z.B. Flora Brasiliensis)

🌐 Globale Vernetzung

Blume korrespondierte mit führenden Botanikern seiner Zeit:

  • William Jackson Hooker (Direktor Kew Gardens)
  • Asa Gray (Harvard, US-Flora)
  • Alexander von Humboldt (Naturforscher)

Seine Berichte über Java inspirierten weitere Expeditionen nach Südostasien.

🔬 Moderne Relevanz

Blumes Arbeit ist bis heute relevant für:

  • Biodiversitätsforschung: Baseline-Daten für Artenschwund in Indonesien
  • Pharmazeutische Forschung: Seine Sammlungen enthalten unbekannte Heilpflanzen
  • Jiaogulan-Forschung: Seine Erstbeschreibung ermöglichte die späteren phytochemischen Untersuchungen (Takemoto 1976)

Niederländisch-Ostindien zur Zeit Blumes

Blumes Forschung fand in einem kolonialen Kontext statt — eine historisch komplexe Epoche.

🗺️ Politische Situation

1811-1816: Britische Interregnum (Thomas Stamford Raffles als Gouverneur) — Gründung des Botanischen Gartens Bogor (1817) durch Caspar Reinwardt

1816-1949: Niederländische Kolonialherrschaft. Blume profitierte von der kolonialen Infrastruktur (Expeditionsunterstützung, Zwangsarbeit für Herbarsammlung), trug aber nicht aktiv zur Ausbeutung bei (war unpolitischer Wissenschaftler).

🌴 Botanischer Garten Buitenzorg

1817 gegründet von Caspar Reinwardt. Blume übernahm 1822 die Leitung und erweiterte die Sammlung von 900 auf über 5.000 Arten.

Heute: Bogor Botanical Gardens (Kebun Raya Bogor), einer der wichtigsten tropischen Gärten weltweit (15.000 Arten, UNESCO-Welterbe-Kandidat).

⚠️ Kritische Reflexion

Blumes Arbeit war Teil des kolonialen Wissenserwerbs :

  • Indigenes Wissen über Heilpflanzen wurde oft nicht anerkannt oder dokumentiert
  • Herbarbelege wurden nach Europa exportiert (bis heute in Leiden, nicht in Indonesien)
  • Ökonomische Interessen (Suche nach Gewürzen, Kautschuk, Chinarinde) beeinflussten Forschung

Moderne Perspektive: Digitale Rückgabe von Herbarscans, Zusammenarbeit mit indonesischen Botanikern, Anerkennung traditioneller Nutzung von Pflanzen wie Jiaogulan.

Blumes Erbe erleben — Bio Jiaogulan

Seit Blumes Erstbeschreibung 1825 hat Gynostemma pentaphyllum eine faszinierende Reise von Java über China nach Europa gemacht. Entdecken Sie die Pflanze, die Botanik & Tradition verbindet.